Die
faszinierende Geschichte eines talentierten Torwarts, Nationalspielers und am
Ende vielleicht sogar professionellen Wrestlers: Ein zu Papier gebrachter
Roadtrip von „die Null muss stehen“, über die Ersatzbank und Tribüne, bis zu
„breit gebaut, braun gebrannt, 100 Kilo Hantelbank“.
Alles
begann vor rund 25 Jahren bei seinem Jugendverein DJK Dürscheid, Wiese war anno
1987 noch ein Stürmer, den Weg ins Tor fand er nur aufgrund von
Achillessehnenproblemen in der Jugend von Bayer 04 Leverkusen. Er überstand
zwei Kreuzbandrisse, einen beim 1. FC Kaiserslautern und einen gleich nach
seinem Wechsel zum SV Werder Bremen, er lernte was es heißt zu leiden, zu
beißen und sich wieder heranzukämpfen. Die Zeit an der Weser war auch seine
erfolgreichste Zeit, er gewann 2009 den DFB Pokal und stand im gleichen Jahr im
UEFA Pokal Finale, war bei der WM 2010 Ersatztorhüter der Nationalmannschaft
hinter Manuel Neuer. Selbst zur EM 2012
reiste Wiese noch mit.
Das ist nun zwei Jahre, geschätzte 728
Fitnessstudio-Besuche, doppelt so viele Proteinshakes und einige Solariumsbesuche
her und der gemeine Fußballfan erkennt den einstigen Weltklassetorhüter kaum
wieder. Nach seiner Ausbootung bei der TSG Hoffenheim, bei der er unter Markus
Babbel zunächst Fuß fassen konnte, sich nach schlechten Leistungen aber auf der
Bank wieder fand, und weder unter Marko Kurz noch unter Markus Gisdol seinen Weg
zurück ins Tor fand, begann Wiese sich ein neues Hobby zuzulegen. „Scheinbar
macht es ihm viel Spaß jeden Tag ins Gym zu gehen[...], ich frag mich nur, ist
das so der Traumkörper den wir alle anstreben?“ kommentierte Torwartlegende
Oliver Kahn die Entwicklung seines einstigen Kollegen.
Bald
jedoch könnten wir nicht mehr von Tim Wiese sprechen, sondern vom „Dynamic
Muscle Mountain“ (wie der deutsche Wrestler „Bam“ in einem Interview mit 11 Freunde vorschlug), der zwar keine
Freistöße mehr aus den Ecken kratzt, dafür aber einen seiner künftigen Kollegen
(?) mit dem „Death Valley Driver finished“, wie es im Fachjargon heißt. Tim
Wiese tauschte die Ersatzbank gegen die Hantelbank und vielleicht auch bald
sein pinkes Torwarttrikot gegen, vornehmlich pinke, long-tights aus Elastan.
Damit
könnte er sich in eine illustre Runde ehemaliger Fußballprofis mit neuen,
anderen und vornehmlich ungewöhnlichen Jobs einreihen. Neben eher positiven Beispielen, wie dem ehemaligen Profi Hans-Josef
Kapellmann, der für den 1. FC Köln und Bayern München spielte, nach seiner
aktiven Zeit promovierte und als Facharzt für Unfallchirurgie arbeitete, gibt
es eben auch jene Profis, deren Berufe nach der Zeit als Fußballprofi, gelinde
gesagt, skurril anmuten. Als Beispiel sei hier Jonathan de Falco erwähnt, ein
ehemaliger Profi der zweiten belgischen Liga, der sich 2011 unter dem Pseudonym
„Stany Falcone“ den HustlaBall-Award in der Kategorie „Bester Newcomer EU“
sicherte. Als Pornodarsteller.
Wiese
jedenfalls sieht „keinen Grund das Angebot
nicht gründlich zu prüfen.“ Verständlich, bedenkt man, dass die WWE die
bekannteste und kommerziell erfolgreichste Wrestling Liga ist und Wieses
Aussichten auf einen Torwart-Job durch die spielfreie Zeit und die angehäuften
Muskelberge eher gering einzuschätzen sind. Dennoch stellt sich jedem
Fußballfan die Frage nach dem Warum. Warum die zahllosen Ausflüge ins Fitnessstudio, warum
nicht einfach nur fit halten und irgendwann wieder zurück in den Profi-Fußball finden? Die
Antwort auf diese Frage bleibt wohl für immer hinter Tonnen Whey-Protein, Kreatin,
Haarwachs ("Ich benutze kein Gel, sondern Wachs, um das mal klarzustellen") und der euphemistisch gesagt, braun melierten Haut des einstigen
sicheren Rückhalts verborgen.
Dass
Wiese schon Vorerfahrung im Wrestling hat, könnte ihm in Zukunft natürlich zu
Gute kommen. 2008 rammte er in guter alter Oliver-Kahn-Kung-Fu-Manier Ivica
Olic die Stollen derart in den Hals, dass erfahrene Wrestling Experten vom „Big
Boot“ sprechen würden und man sich durchaus fragen darf, warum Wiese das
Interesse der WWE nicht schon früher auf sich ziehen konnte.
Es bleibt festzuhalten, dass Wiese beim
Show-Kampf im Ring physisch sehr viel einstecken müsste, doch auch die psychischen Folgen, wie das jetzt schon hallende Medienecho, dürften ihm das Leben nicht gerade einfacher machen. Doch seien wir ehrlich, auch der Job zwischen den
Pfosten wird zusehends gefährlicher. Angesichts des Vorfalls der sich
vergangenes Wochenende in der vierten Schweizer Liga ereignete, Fans hatten in
die Trinkflasche des gegnerischen Torwarts uriniert, ist Wieses potentielle
Entscheidung für die WWE dann vielleicht doch noch zu verstehen. Viel Glück
wünschen wir ihm allemal. Falls der Ausflug ins Wrestling-Geschäft doch nicht
klappen sollte, gäbe es durchaus noch andere Möglichkeiten im Profisport zu
bleiben. Bei einem gewissen Verein im Norden soll wohl bald wieder ein Job frei
sein, gesucht wird dort ein Fußballlehrer, Erfahrung erwünscht aber nicht
notwendig. Ob sich Wiese das als Ex-Werderaner jedoch antuen würde, bleibt
abzuwarten.
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