Donnerstag, 31. Oktober 2013

Bobic zürnt den "Bullen"

VON JAWIN SCHELL

Fredi Bobic ist kein furchteinflößender Typ.
Seine Gesichtszüge wirken immer ein wenig verschmitzt und in jeder Aussage ist bei dem gebürtigen Serbokroaten, der seit frühester Kindheit in Stuttgart-Bad Cannstatt aufwuchs, ein angenehmes Schwäbeln durchzuhören. 

Dass der frühere Nationalstürmer auch anders kann, mussten im Laufe seiner Tätigkeit als Sportdirektor und Vorstand Sport beim VfB Stuttgart schon einige erfahren. Man mag sich an Bruce Banner und „the incredible Hulk“ erinnert fühlen. Sieht Bobic sich oder sein Team ungerecht behandelt, wird, um es salopp im Jargon einer großen deutschen Tageszeitung mit vier Buchstaben auszudrücken, aus dem „ friedlichen Fredi“ ganz schnell „ Bombarden-Bobic“.

 Zuletzt geriet auch Drittliga-Emporkömmling und Red Bull- Ableger RB Leipzig unter heftigen Beschuss aus dem Schwabenland. Grund war ein angeblicher Abwerbeversuch zweier Stuttgarter U-13 Jugendspieler seitens der Sachsen. Bobic nahm vor allem Anstoß am Alter der Spieler Luca Piljek und Melvin Ramusovic: „ Es geht hier um Zwölfjährige, die  abgeworben werden sollen“ und fand es „absolut unverantwortlich“ diese „ohne Not aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen!“. 

Pikant war die Situation auch weil, seit Anfang 2013, mit Thomas Albeck und Frieder Schrof zwei ehemalige VfB- Mitarbeiter die Nachwuchsarbeiter der Leipziger „Bullen“ koordinieren. Schrof war es auch der die Vorwürfe sofort zu entkräften suchte und erklärte: "Es ist haarsträubend zu glauben, dass wir bereits in dieser Altersklasse Talente abwerben wollen." Vielmehr hätten die beiden Spieler nur in den Schulferien ihren nach Leipzig gewechselten ehemaligen Jugendtrainer Aljoscha Spilevski  besuchen wollen und bei dieser Gelegenheit den Wunsch geäußert bei RB „ mal mit zu trainieren“. Für ihn sei „das Thema damit auch erledigt“. 

Man mag diese Version der Geschichte wenig glaubhaft finden und doch steht Aussage gegen Aussage. Und obwohl in solchen Fällen in dubio pro reo gelten sollte, ist Bobics Attacke  genau das richtige Zeichen. Denn in Zeiten, in denen Real Madrid ein neunjähriges japanisches Wunderkind verpflichtet und der große Rivale Barcelona mit einem gleichaltrigen  „Irish-Messi“ kontert, bekommt das schöne Wort Transferwahnsinn eine ganz neue Bedeutung. 

Dabei ist in diesem Alter eigentlich noch gar nicht erkennbar, ob der Weg zum Profifußballer überhaupt möglich ist. Die wirkliche Auslese findet erst in der B- oder A-Jugend, wenn aus Kindern und Jugendlichen junge Männer geworden sind, statt. Nicht umsonst gibt es in der Bundesliga eine Art Gentleman-Agreement möglichst keine Spieler aus den Nachwuchsleistungszentren abzuwerben. 
Auch UEFA-Chef und vorrausichtlicher Kandidat auf das Amt des FIFA-Präsidenten Michel Platini ließ verlauten:  „Ich bin grundsätzlich gegen den Transfer von Minderjährigen.“ Doch der 58-jährige ist als Fußballromantiker verschrien und im heutigen, stark wirtschaftsorientierten Profifußball zählt vielerorts vor allem das Geschäft. 

Schlagwörter wie Entwurzelung und Ausbeutung erzeugen hier teilweise nur ein müdes Lächeln. Umso wichtiger ist, dass die Nachwuchsspieler in Deutschland die Möglichkeit bekommen, sich in einem stabilen Umfeld in den Leistungszentren ihrer Stammvereine entwickeln zu können. 
Das Haifischbecken Bundesliga, mitsamt seinem nervenzehrenden Transferhickhack, lernen die Talentiertesten unter ihnen sowieso früh genug kennen.

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