Freitag, 6. März 2015

VfB: Was ein dummes Eigentor!


VON JEREMIAS RENNER

Spätestens gestern ist es durchgesickert. Der vor einigen Wochen bei Red Bull Leipzig zurückgetretene Alexander Zorniger wird Huub Stevens als Trainer des VfB Stuttgart beerben, wie die Stuttgarter Nachrichten vermeldeten. Die Frage ist nur, wann. Sollten die Roten auch ihr „Schicksalsspiel“ gegen Hertha BSC nicht gewinnen, dürfte es schon am Wochenende so weit sein. Bleibt Stevens bis Saisonende im Amt, wird Zorniger mit dem Projekt „Wiederaufbau“ betraut, sei es in der ersten oder in der zweiten Bundesliga. Was das soll, dass ein solch pikantes Detail jetzt rauskommt, direkt in der Vorbereitung auf ein so wichtiges Spiel? Mehr Druck auf Stevens? Das war wohl kaum mehr nötig. Ein Resultat von Unprofessionalität und ein Zeichen der Panik, die den Vorstand offenbar mittlerweile – durchaus zu Recht – ergriffen hat? Sicherlich. Vor allem jedoch schießt der VfB sich durch die zu früh herausgekommene Personalentscheidung ein ganz bitteres und unnötiges Eigentor: Sollte Stevens’ Truppe heute gegen Hertha gewinnen, würde das dem Trainer zunächst seinen Job retten. Für wie lange, ist ungewiss. Platz 18 würde bestehen bleiben, und nach dem Bekanntwerden der Personalie Zorniger kann in Bezug auf Stevens nicht einmal mehr Robin Dutt die Worte „Vertrauen“ oder „Rückhalt“ in den Mund nehmen, ohne sich dabei vor laufender Kamera auf die Lippe zu beißen. #Zusammenhalten? Pustekuchen.

Dabei kann man Stevens nicht einmal einen großen Vorwurf machen – der „Angsthasenfußball“, für den er teils heftige Kritik einstecken musste, hatte einen Grund. Unter Vorgänger Armin Veh hatte der VfB einfach viel zu viele Gegentore bekommen. Also bemühte Stevens sich darum, dass die berühmte Null steht, was oft sogar gelang. Dass Fußballverhindern alleine nicht für den Klassenerhalt reichen würde, ging dem Holländer wohl spätestens beim kläglichen 2:3 gegen den BVB auf, als er es mit 9 Defensivspielern in der Startelf versuchte, und scheiterte. In Hannover dann ein klares Zeichen in Richtung kontrollierte Offensive, und ein Spiel, das wenigstens ein bisschen Hoffnung macht. Wer übrigens die totale Offensive fordert, kann sich ja gerne mal die Rückrunde 13/14 des 1.FC Nürnberg zu Gemüte führen....

Mit Zorniger will der VfB nun offenbar noch mal einen Versuch starten, der in den letzten Jahren bereits mehrmals schiefgegangen ist. Ein junger, dynamischer, ein sogenannter „Konzepttrainer“, noch dazu aus Mutlangen im Ostalbkreis, Muttersprache: schwäbisch. Und den Verein kennt er auch schon. 2009 arbeitete er unter Markus Babbel als Co-Trainer. Na, klingelt’s? Thomas Schneider? Jens Keller? Schon mal gehört? Gleiche Vorraussetzungen, Erfolg? Negativ. Keller bekam zu wenig Zeit, Schneider wirkte mit dem rauen Wind des Abstiegskampfs klar überfordert. Beide gescheitert. Nun also Versuch Nummer drei mit Zorniger. Dafür, dass es diesmal hinhauen könnte, spricht vor allen Dingen eins: Zorniger hat, anders als Keller und Schneider damals, bereits andernorts erfolgreich gearbeitet. Nämlich in Leipzig, wo er die Mannschaft von der vierten in die zweite Liga führte – genau da hin also, wo der VfB nicht hinwill...  Und das ist auch gleich das gefährlichste an dieser Personalie. „Der kennt die zweite Liga!“, raunt der eine oder andere. Planen Dutt und Co. etwa schon für das Unterhaus? Das wäre ein absolut falsches Zeichen. Sicher, den Abstieg hat im Moment wahrscheinlich kein Verein so sehr verdient wie der VfB. Und immer wieder ist auch zu hören: „die brauchen das einfach mal.“ In der zweiten Liga könne man mal in Ruhe ausmisten und einen gewissen Selbstreinigungsprozess durchschreiten, um wie Phoenix aus der Asche wieder triumphal in die Bundesliga zurückzukehren. Nein! Oder, vielleicht! Vielleicht klappt das. Aber für einen Umbruch braucht man keinen Abstieg. Das geht auch in Liga eins. Und dass man in der zweiten Liga eben nichts in Ruhe aufbauen kann, mussten ehemalige Bundesligisten wie Bielefeld (jetzt 3. Liga) oder Aachen (jetzt 4. Liga) schmerzvoll erfahren. Bei BL-Gründungsmitglied 1860 München kann man auch mal nachfragen. Nach dem überraschenden Abstieg 2004 kämpften die Löwen im Unterhaus gefühlt öfter um den Klassenerhalt als um den Wiederaufstieg. Besserung nicht in Sicht. Die zweite Liga ist gefährlich, und der VfB sollte sie um jeden Preis meiden. Heute gegen Hertha ist nicht nur das Endspiel für Stevens. Es ist für den ganzen Verein eins. Das erste von 11. Und das sollte man dann vor allem auf dem Platz sehen.

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