VON STEFAN MATERN:
Doch nicht nur die finanzielle und wirtschaftliche Situation regt zum Nachdenken an, auch die personellen Sorgen sind gravierend. Nachdem ein Streit zwischen der FIFA und der brasilianischen Regierung, der durch die Äußerung des Generalsekretärs der FIFA, Brasilien brauche einen „Tritt in den Hintern“ ausgelöst, und durch einen überhasteten Beschwichtigungsbesuch Sepp Blatters beigelegt worden war, zeichnete sich indes die nächste Hiobsbotschaft für die Staatspräsidentin Dilma Roussef ab. Ricardo Teixeira, seines Zeichens Vorsitzender des brasilianischen Fußballverbandes, musste aufgrund von Korruptionsvorwürfen mit erdrückender Beweislast sein Amt niederlegen.
Die Trauer über jenen Rücktritt hielt sich in Grenzen, doch der eigentliche Super-GAU, der Schlag ins Gesichte Roussefs, folgte auf dem Fuße. José Maria Marin übernahm die Rolle des Nachfolgers. Man stelle sich vor, Roland Freisler hätte die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland als Präsident des Verbandes organisiert und die Medaillen an die Spieler überreicht, sowie zusammen mit Angela Merkel auf der Tribüne gesessen. Das zeichnet, in etwas überspitzter Form, die Rolle Marins in Brasilien nach. Dieser war in der Zeit der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 glühender Verteidiger der gewaltsamen Praktiken, lobte beispielsweise die Folterknechte die Kritikern und Widersachern des Regimes ihre Grenzen aufzeigten, sieht die Folterungen bis heute als verdient und gerechtfertigt an, nennt die Widerständler gar „Terroristen“ und hat seit jeher nicht die kleinste Entschuldigung verlauten lassen.
Geradezu pervers mutet es dabei an, dass Dilma Roussef zu jener Zeit einer linken Widerstandsgruppe angehörte, und ebenfalls Opfer von physischer und psychischer Gewalt geworden war. Roussef musste somit beim Confederations Cup jenen Mann umarmen, der ihre eigene Folter befürwortet hatte. Und jene Persona non grata, jener Mann der ein bekennender Menschenrechtsverletzter war, soll die Weltmeisterschaft eröffnen, mit ihr an seiner Seite. Bizarrer geht es nicht mehr. Und eigentlich auch nicht trauriger. Doch die FIFA setzt dem ganzen die Krone auf:
Das
Ethikkomitee des Weltverbandes sieht sich in diesem Fall nämlich nicht
zuständig, dies sei eine „innerbrasilianische Angelegenheit“. Doch wie soll
Brasilien solch ein Problem lösen, mit einem Parlament in dem mindestens ein
Drittel der Abgeordneten wegen Vergehen wie Kidnapping, Stimmenkauf oder
Geldwäsche oder noch schlimmeren
Anschuldigungen, die sogar bis zu Kokainschmuggel und Mord reichen,
angeklagt ist? Vermutlich gar nicht.
Brasilien
braucht eine internationale Welle der Entrüstung, eine Welle die durch den
Stein Marin hätte ausgelöst werden müssen, eine Welle wie sie es 2006 gegeben
hätte, wäre ein Alt-Nazi Organisator der WM gewesen. Die Bevölkerung hat den
Anfang gemacht, ein Anfang der die Ignoranz der westlichen Staaten, der FIFA
und der Fußballer selbst beenden sollte.
In Anlehnung an die „Democracia Corinthiania“, die vor rund 30 Jahren ihren Ursprung unter Schirmherrschaft des politisch engagierten Fußballlers Sócrates hatte, oder auch der aktuellen Protestbewegung „Bom Senso FC“, muss sich ein Bewusstsein unter den Fußballern bilden. Denn die Profis der Nationen haben eine kommunikative Macht wie sonst nur wenige, insbesondere die Brasilianer um den Zauberer Neymar und den Publikumsliebling Dante, und genau sie sind es auch, die diese Macht endlich nutzen sollten. Alles andere wäre traurig. Denn hier geht es um mehr als nur eine Weltmeisterschaft. Für Brasilien. Für den Fußball. Für den Rest der Welt.
In Anlehnung an die „Democracia Corinthiania“, die vor rund 30 Jahren ihren Ursprung unter Schirmherrschaft des politisch engagierten Fußballlers Sócrates hatte, oder auch der aktuellen Protestbewegung „Bom Senso FC“, muss sich ein Bewusstsein unter den Fußballern bilden. Denn die Profis der Nationen haben eine kommunikative Macht wie sonst nur wenige, insbesondere die Brasilianer um den Zauberer Neymar und den Publikumsliebling Dante, und genau sie sind es auch, die diese Macht endlich nutzen sollten. Alles andere wäre traurig. Denn hier geht es um mehr als nur eine Weltmeisterschaft. Für Brasilien. Für den Fußball. Für den Rest der Welt.